Erste Lesung
Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen
Lesung
aus dem Buch Éxodus
In jenen Tagen
2murrte die ganze Gemeinde der Israeliten
in der Wüste gegen Mose und Aaron.
3Die Israeliten sagten zu ihnen:
Wären wir doch im Land Ägypten
durch die Hand des Herrn gestorben,
als wir an den Fleischtöpfen saßen
und Brot genug zu essen hatten.
Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt,
um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen.
4Da sprach der Herr zu Mose:
Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen.
Das Volk soll hinausgehen,
um seinen täglichen Bedarf zu sammeln.
Ich will es prüfen,
ob es nach meiner Weisung lebt oder nicht.
12Ich habe das Murren der Israeliten gehört.
Sag ihnen:
In der Abenddämmerung werdet ihr Fleisch zu essen haben,
am Morgen werdet ihr satt werden von Brot
und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr,
euer Gott, bin.
13Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager.
Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager.
14Als sich die Tauschicht gehoben hatte,
lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges,
fein wie Reif, auf der Erde.
15Als das die Israeliten sahen,
sagten sie zueinander: Was ist das?
Denn sie wussten nicht, was es war.
Da sagte Mose zu ihnen:
Das ist das Brot, das der Herr euch
zu essen gibt.
Haben Sie die erste Lesung noch
im Ohr,
die alttestamentliche aus dem Buch Exodus? – Sie erzählt von wehleidigen
und frustrierten Menschen, die gegen ihre Anführer, Mose und Aaron,
aufbegehren.
Wie kommt’s? Was ist geschehen?
Es ist kurz nach dem Auszug aus Ägypten, am Beginn der langen Wanderung
durch die Wüste. Es ist noch nicht lange her, da haben die Exodus-Leute
das große Siegeslied gesungen. Sie waren Pharao und seiner Streitmacht
entkommen. Nach dem mutigen Aufbruch aus der Knechtschaft haben sie die
wunderbare Rettung am Schilfmeer erlebt.
Doch die Begeisterung weicht bald der Ernüchterung. Der Weg durch die
Wüste ist kein Spaziergang. Er ist mühevoll und entbehrungsreich. Die
Israeliten leiden Hunger. Unzufriedenheit macht sich breit,
Enttäuschung, Verzagtheit, Missmut.
Fünf Dinge fallen mir auf:
Erstens:
Suche nach Sündenböcken.
Wie oft in solchen Situationen sucht man Schuldige. Und man findet sie
in Mose und Aaron. Ein Gemurre beginnt, Anklagen, Kritik, Auflehnung.
Man wird wütend und aggressiv.
Nein, so hatte man sich das Leben in Freiheit nicht vorgestellt!
Zweitens:
Zweifel an Gott.
Das Murren der Israeliten richtet sich letztlich gegen Gott selbst.
Mose und Aaron handeln ja in seinem Namen. Er hat sie berufen.
Er hat ihnen den Auftrag gegeben, das Volk aus der Knechtschaft ins
„Gelobte Land“ zu führen.
Und er hat ihnen seine Gegenwart zugesagt. Er hat ihnen versprochen dazu
sein, mitzugehen, beizustehen. „Ich bin, der ich bin da“, so hat
er sich dem Mose am Dornbusch geoffenbart.
An den Israeliten nagt nicht nur der Hunger, sondern auch die Skepsis
und der Zweifel an Gott. Wo ist Gott? Wo ist seine Hilfe, sein Beistand,
seine Führung? Warum lässt Gott solche Drangsal und Not über seine
Auserwählten kommen? Warum lässt er all dieses Leid zu?
War die Flucht aus Ägypten nicht eine Riesendummheit?
Wären wir nicht besser Sklaven geblieben?
Drittens:
Verklärung der Vergangenheit.
Sie wissen, liebe Mitchristen, in Notsituationen wird die Vergangenheit
schnell verherrlicht, nach dem Motto „früher war alles besser“.
Das Negative wird ausgeblendet, erlittenes Unrecht vergessen, Leid und
Mühsal verdrängt. Man erinnert sich nur der schönen Seiten.
So auch die Israeliten in der Wüste. Man sehnt sich – mit verklärendem
Blick – nach den alten Zeiten zurück. So schlimm die Situation damals
war, jetzt erscheint sie in rosigem Licht.
Wären wir doch in Ägypten bei den – sprichwörtlich gewordenen –
„Fleischtöpfen“ geblieben. Lieber ein Leben in Unterdrückung, aber genug
zu essen. Jetzt zwar in Freiheit, aber in der Not und Trostlosigkeit der
Wüste.
Viertens:
Gott zeigt sich barmherzig und gnädig.
Es fällt auf: Gott reagiert auf das Murren seines Volkes nicht
verärgert. Er fängt nicht seinerseits an zu murren. Er klagt nicht und
zürnt nicht. Er droht nicht und straft nicht. Gott hat erstaunlich viel
Geduld mit seinem Volk, das so störrisch, so undankbar und darüber
hinaus so kleingläubig ist; so angstvoll, so wenig vertrauensvoll.
Gott reagiert mit einem Versprechen: Er wird Not und Leid wenden.
Er gibt ihnen etwas, das die Verheißung vom Gelobten Land wachhält. Er
gibt ihnen, was den Glauben an seine Gegenwart wieder aufleben lässt. Er
macht sie satt – mit Wachteln am Abend und mit Manna am Morgen. „Man-hu?
– Was ist das“ fragen die Leute. Mose weiß es: Es ist „Brot vom
Himmel“, „Brot, das der Herr euch gibt.“
Gott erweist dem Volk seine Güte und Treue. Er zeigt sich mitfühlend und
fürsorglich – wie ein guter Vater oder eine liebende Mutter.
Gott hat Erbarmen. Er ist ein Gott, der seine Kinder liebt, auch wenn
die immer wieder mal quengeln, jammern, maulen und motzen.
Das Wunder der Befreiung aus Unterdrückung und Knechtschaft, dieses
Wunder setzt sich fort, indem Gott sein Volk täglich aufs Neue wunderbar
ernährt und am Leben erhält. Nicht ein für alle Mal, sondern täglich neu
Bewahrung, Rettung und Stärkung.
Fünftens:
Jesus – Brot des Lebens
Haben Sie es gemerkt, liebe Schwestern und Brüder? Die Lesung aus dem
Buch Exodus und das Evangelium des heutigen Sonntags sind aufeinander
bezogen. Da wird ein direkter Bogen gespannt.
Im Evangelium bezeichnet sich Jesus als das eigentliche Brot vom Himmel,
als Brot für das Leben der Welt. Er ist das wahre Manna.
Bei der eucharistischen Anbetung, vor dem sakramentalen Segen, betet der
Priester: „Brot vom Himmel hast du ihnen gegeben.“
Und alle antworten: „Das alle Erquickung in sich birgt.“
„Brot vom Himmel“
gibt der Herr auch uns.
In einem Lied singen wir: „O Manna, Himmelsbrot, wollst unsren Hunger
stillen, mit Gnaden uns erfüllen, uns retten vor dem ewigen Tod.“
Und eine Einladung direkt vor dem Kommunionempfang lautet:
„Kommt und kostet und seht, wie
gut der Herr ist! Selig, wer ihm vertraut!“
Es geht um Vertrauen. Wir sind nicht allein in den Wüsten, Nöten und
Ängsten unseres Lebens.
„Gott ist mit uns am Abend und am
Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
(D. Bonhoeffer)