geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

"Er selbst kommt und wird euch retten"

zur 1. Lesung und Evangelium am 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B;

Jes 35, 4 - 7a und Mk 7, 31 - 37

 

 

„Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott!... Er selbst kommt und wird euch retten!“

Jes 35,4

 

Erste Lesung

Die Ohren der Tauben öffnen sich; die Zunge des Stummen frohlockt

Lesung

aus dem Buch Jesája

4Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes! Er selbst kommt und wird euch retten.

5Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet.

6Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe.

7aDer glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Wassern.

 

Evangelium

Er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

In jener Zeit

31verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekápolis.

32Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen.

33Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel;

34danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Éffata!, das heißt: Öffne dich!

35Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.

36Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es.

37Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese Worte haben wir eben in der Lesung aus dem Ersten Testament gehört. Es sind Worte des Propheten Jesaja. Und das Buch, in dem sie stehen, nennen wir das „Trost-Buch“.

 

Israel stand damals in der Gefahr, aufgelöst und zerrieben zu werden. Es befand sich in der Verbannung. Nachdem es seine Heimat verloren hatte, stand es nun auch kurz davor, seinen Glauben zu verlieren. – Eine Situation, die vielen Angst machte und verzagen ließ.

 

Genau in diese Bedrohung und Angst hinein spricht der Prophet. Und er tröstet, er macht Mut. Fürchtet euch nicht! Bei all Eurer Bedrängnis ist da doch immer noch Gott. Und dieser Gott lässt Euch nicht hängen. Sondern er selbst wird Euch retten.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Als Markus sein Evangelium schreibt, da hat er dieses Trostbuch sehr wohl im Kopf. Und mit seinem Evangelium, mit seiner Frohen Botschaft will er sagen:

Jetzt macht Gott ernst. Dieser Jesus ist nicht irgendwer. Er ist nicht irgendein Wunderdoktor, der gute Tricks draufhat, um Menschen zu heilen, sondern er ist die Erfüllung der Zusage Gottes. In Jesus, da löst Gott sein altes Versprechen ein. In Jesus macht Gott wahr, was bereits durch die Propheten angekündigt worden ist: „Seht, hier ist Gott!“ – Ein Gott, der rettet – und zwar so, dass man es sehen und hören kann.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Da bringt man also einen Taubstummen zu Jesus. Unsere Bibelwissenschaftler sagen, dass diese Taubstumme ein Bild ist, ein Bild für viele Menschen, die irgendwie krank geworden sind:

 

Menschen, die irgendwann stumm geworden sind, weil niemand ihnen mehr wirklich zuhört; Menschen, die nichts mehr sagen wollen und können, weil keiner hinhört auf das, was sie wirklich sagen wollen, wenn sie von ihrem Leid, von ihrer Not und von ihren Ängsten sprechen; Menschen, die sich zurückgezogen haben und irgendwann total verstummt sind, weil niemand sich mehr für die interessiert.

 

Dieser Taubstumme ist auch ein Bild für Menschen, die nichts mehr hören wollen, weil man ihnen immer nur gesagt hat, was sie alles nicht richtig machen, wo sie noch Defizite haben oder was sie schon wieder falsch gemacht haben – und dass sie aus all diesen Gründen nicht ok sind: Menschen, die „dicht gemacht“ und zugemacht haben, um überhaupt noch weiter leben zu können – und an die niemand mehr rankommt. Und davon gibt es – weiß Gott – viele.

 

Aber Jesus kommt an diesen Menschen ran. Jesus kann ihm helfen. – Aber Jesus tut es nicht mit Hokuspokus oder so was, nicht mit frommen Sprüchen, sondern durch Zuwendung und Nähe, durch die Art und Weise wie er ihm begegnet.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Dieser Jesus kommt nicht mit wieder neuen Ermahnungen, nicht mit Aufforderungen wie „Jetzt reiß dich mal zusammen! – Lass dich nicht so hängen!“ Da ist kein „Was ist denn jetzt schon wieder los!“

 

Da ist vielmehr Zuwendung ohne viele Worte. Aber dafür ganz viel Nähe, die diesem Taubstummen zeigt: Du bist mir wichtig! Da ist ganz viel Aufmerksamkeit, die diesem Taubstummen signalisiert: Ich bin jetzt nur für dich da. Alles andere muss jetzt warten. Ich habe jetzt Zeit. Ich habe ein Ohr für dich und deine Probleme. Ich sehe dich in deiner Not.

 

Und genau das verändert die Welt dieses Taubstummen. Genau das öffnet diesen Menschen wieder für das Leben. Und das macht ihn heil und gesund.

 

Das einzige Wort, das Jesus spricht ist „Effata“ – „Öffne dich“. Alles andere ist Nähe, Aufmerksamkeit, Zuwendung.

 

„Effata“, liebe Schwestern und Brüder, so hat man auch einmal zu jeder und jedem von uns gesagt. So wurden wir alle einmal ermutigt – in einem Moment, in dem Gott auch uns ganz nahe gekommen ist, mit ganz viel Liebe und Zuneigung. Denn „Effata“, so spricht der Priester oder Diakon bei jeder Taufe.

 

Öffne dich! Das will wohl sagen: Gott will offene Menschen, keine Menschen, die sich verkrümmen, ducken oder klein machen – nicht vor den Menschen und zweimal nicht vor IHM. Nein, Gott will Menschen, die aufrecht stehen, damit sie hören und sehen und entdecken, wie wichtig sie für Gott sind – für jenen Gott, der unser Heil will. Das ist die Frohe Botschaft dieses Evangeliums.

 

Aber da gibt es noch eine zweite Botschaft in diesem Text, die man fast übersieht, weil es fast nur eine Randnotiz ist. – Da steht: Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus. Das heißt: Da gab es Menschen, die einen, der total zugemacht hatte, der schon taub und stumm für alles geworden war, zu Jesus bringen, Menschen, die diesen Kranken sozusagen zum Heil hinbringen.

 

Da gab es „Heils-Vermittler“ und Heils-Vermittlerinnen.

Menschen also, die genau damit zum „Heiland“ für andere werden können, weil sie nicht schon zufrieden sind, wenn es ihnen selbst gut geht, sondern weil sie wollen, dass auch andere dieses Heil finden, dass auch andere Anteil am Leben haben.

 

Ich denke, das ist die Stelle, an der wir in dieses Evangelium hineinkommen. Das ist die Stelle, an der wir gefragt und notwendig sind. Als Menschen, die offen sind für die Not der anderen – und offen für das Heil, das allein Gott schenken kann – und die dann einen Menschen dorthin führen, wo sie das Heil erfahren können – zu Gott. Und zwar zu einem liebenden und tröstenden, zu einem rettenden Gott, der nicht nur damals Mensch geworden ist in Jesus Christus, sondern auch heute Mensch werden will – in uns, damit auch wir so handeln wie Jesus gehandelt hat: heilend und befreiend, aufrichtend und vergebend, liebevoll und tröstend – so dass Menschen sich öffnen können, weil wir ihnen so begegnet sind, dass sie durch uns das Heil erfahren haben.

 

Wenn wir dazu fähig sind – zu heilsamen und heilenden Begegnungen mit unseren Mitmenschen, dann sind wir wirklich Kirche, Kirche unseres Herrn Jesus Christus.

 

Diese Predigt orientiert sich an einer Vorlage von Richard Baus