geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

„Schön, dass es dich gibt“

Christkönigsfest im Lesejahr A; Mt 25, 31 – 46

 

Evangelium

Der Menschensohn wird sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen und er wird die Menschen voneinander scheiden

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

31Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.

32Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.

33Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken.

34Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist!

35Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen;

36ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.

37Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben?

38Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben?

39Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

40Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

41Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!

42Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben;

43ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.

44Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?

45Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.

46Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.

 

 

Kennen Sie Hildegard Knef, die berühmte Sängerin und Schauspielerin?

 

Vor kurzem bin ich auf eine interessante Geschichte von ihr gestoßen. Knef selbst sagt, dass sie diese Geschichte von ihren amerikanischen Freunden gehört habe:

Und zwar soll es in Nordamerika einen - inzwischen ausgestorbenen - kleinen Indianerstamm gegeben haben.

Und das Interessante: Die Religion dieses Indianerstammes beruhte auf einem einzigen Satz. Die Mitglieder des Stammes glaubten nämlich, dass sie nach ihrem Tod gefragt werden: „Wie viel Menschen waren glücklich, dass du gelebt hast?“ – Mit dieser einfachen Frage im Hinterkopf lebten sie. Mit dieser Frage gestalteten sie ihr Miteinander. „Wie viel Menschen waren glücklich, dass du gelebt hast?“ – Diese Frage war ihnen Orientierung, Maßstab und Ziel. An dieser Frage versuchten sie, ihr ganzes Verhalten auszurichten.

 

Hildegard Knef war – wie sie selbst bekennt – sehr beeindruckt von dieser kleinen Geschichte und ließ sich dadurch zu einem ihrer letzten Chansons inspirieren: Sein Titel: „Wer war froh, dass es dich gab?“

 

Jetzt passen Sie auf: In ihrem typischen und markanten Sprechgesang stellt Hildegard Knef fest, dass für uns alle – ob wir wollen oder nicht – der Tag kommen wird, an dem wir vor „einem“ Rechenschaft ablegen müssen. Auf diesen „einen“ geht sie nicht näher ein. Aber jeder weiß, wen sie meint. Von diesem „einen“ sagt sie nur, dass der sich weder austricksen noch belügen lässt. Dieser „eine“ zwingt uns vielmehr – Knefs Song zufolge – unerbittlich zu einer ehrlichen Lebensbilanz. Insgesamt sechzehn Mal wiederholt Hildegard Knef in ihrem Chanson – stakkatohaft, fast schon penetrant – die eindringliche Aufforderung: „Gib mir Antwort! Gib mir Antwort! – Wer war froh, dass es dich gab? – Gib mir Antwort!“

 

Der Rückblick auf unser Leben – an Hand dieser Frage – dieser Rückblick wird, so meint Knef in ihrem Chanson, nicht schmeichelhaft für uns ausfallen. Der Songtext suggeriert, dass nicht viele sich über unser Leben freuen können. Und er endet mit dem ernüchternden, ja traurigen Fazit: „Was du hinterlässt, war nur ein schales Fest. Du bestehst ihn nicht, den großen Abschlusstest.“ Mehrmals wiederholt sie auch diesen Satz in ihrem Lied. „Was du hinterlässt, war nur ein schales Fest. Du bestehst ihn nicht, den großen Abschlusstest.“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Bild von einem „großen Abschlusstest“, von einem letzten Gericht, gehört auch zur Botschaft der neutestamentlichen Verkündigung.

Und gerade im Monat November werden wir oft daran erinnert: wenn wir auf den Friedhöfen an unsere Verstorbenen denken, wenn – durch verschiedene Feiertage wie Allerseelen, Totensonntag, Volkstrauertag – der Gedanke an den Tod stärker als sonst ins Bewusstsein rückt, auch der Gedanke an den eigenen Tod, der niemandem erspart bleibt, der unausweichlich auf uns zukommt und an dem kein Weg vorbeiführt.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Bis hier hin kann ich den Gedanken von Hildegard Knef ganz gut folgen. Nur „was du hinterlässt, war nur ein schales Fest.“ Ehrlich gesagt: Da sträubt sich etwas in mir. Ich hoffe doch, dass mein und Ihr Leben, wenn wir einmal zurückschauen, nicht nur schal und hohl und leer war, nicht nur düster und traurig und letztlich total vergeblich, unerfüllt und sinnlos.

Ich hoffe und wünsche, dass es da auch andere Augenblicke, Stunden und Tage gab – und selbst in schweren und leidvollen Zeiten – schöne, frohe, helle und glückliche Momente. Und dass es da neben manchem Bruchstückhaftem, neben Fehlern, Versäumnissen und Schuld auch manches Gute gab, Verständnis, Wohlwollen, Liebe, Güte, Geduld und Verzeihen.

 

„Was du hinterlässt, war nur ein schales Fest. Du bestehst ihn nicht, den großen Abschlusstest.“ Auch mit der zweiten Feststellung, die Hildegard Knef in ihrem Lied knallhart trifft: „Du bestehst ihn nicht, den großen Abschlusstest“, habe ich meine Schwierigkeiten.  auch ein großes Fragezeichen.

 

Der „eine“, vor dem wir unser Leben verantworten werden und den Hildegard Knef nicht näher beschreibt, dieser „eine“ hat für mich und er hat für uns als Christen nämlich einen Namen. Wir kennen seine Lebensgeschichte. Wir haben seine treffenden Worte und seine einleuchtenden Beispielerzählungen im Ohr. Wir wissen, wie er sich den Menschen zugewandt, wie er sie aufgerichtet und in seine Gemeinschaft geholt hat.

 

Ich hoffe sehr, dass er sich mir nicht als strenger Richter aller Sünden zeigt, sondern als gnädiger Richter, auch im Gericht noch als Heiland und Erlöser. Ich hoffe, dass in ihm – mir und uns allen – die richtende Liebe Gottes begegnet und dass er einmal zu uns sagen wird: Abschlusstest bestanden!

 

Als nämlich niemand meinen Hunger nach Aufmerksamkeit und Wertschätzung gespürt hat; als ich kraftlos, ausgetrocknet, ohne Sinn und Ziel war; als ich mich mit meinen Ansichten wie ein Fremder unter Freunden gefühlt habe; als ich von meinen Kollegen bloßgestellt wurde; als mich die Gleichgültigkeit der anderen verletzt und krank gemacht hat; als ich in meinen Terminen und Verpflichtungen gefangen war – da war ich richtig froh, dass es dich gab; dass du mir gezeigt hast, wie wichtig ich dir bin; dass du mich nicht mit Floskeln abgespeist hast, sondern mir einen neue Perspektive für mein Leben eröffnen konntest; dass du mir ein einfühlsamer Zuhörer warst; dass du mich aus meinem Hamsterrad befreit hast.

 

Mit dieser Hoffnung, auf einen bestandenen Abschlusstest am Ende des Lebens, und weil es da hoffentlich doch Menschen gibt, die bei meinem Tod sagen „Ich war froh, dass es dich gab“, könnten wir uns vornehmen, jetzt schon und vielleicht noch viel mehr als bisher – wann immer sich die Gelegenheit bietet – die anderen spüren zu lassen, es zu signalisieren und zu sagen „Ich bin froh, dass es dich gibt.“