geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Tempelreinigung

(3. Fastensonntag - Lesejahr B)

 

So kennen wir Jesus gar nicht, so zornig, so draufgängerisch.

Mit der Peitsche in der Hand. – Er, der sonst von Liebe und Vergebung spricht. Er, der von sich selbst einmal sagt:

„Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen.“

Von Sanftmut keine Spur! Jesus provoziert, er schockiert.

Niemand hat erwartet, dass er so aufräumt. Tumult im Tempel!

 

Was ist der Sinn dieser eigentümlichen Aktion?

Eine erste Antwort gibt Jesus selbst: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“

Er verurteilt den Missbrauch, den veräußerlichten Gottesdienst.

Hier befindet sich Jesus in der Tradition der großen Propheten.

Er selbst sagt einmal: „Sie verehren mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit weg von mir.“ Und: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“

 

Aber es geht Jesus nicht nur um Kritik am Gottesdienst und Opferbetrieb.

Er stellt mit seiner Aktion den Tempelkult selbst in Frage.

Es geht ihm nicht nur um die Reinheit des Tempels, dass alles Gefeilsche, aller Lärm, alle Geldmacherei und alle falsche Betriebsamkeit dort, im Haus Gottes, das ein Haus des Gebetes sein soll, keinen Platz hat - Wucherpreis und Betrug an heiliger Stätte - sondern Jesus landet einen Generalangriff gegen den Kult, den Tempelkult, der aus Tieropfern bestand, die Heil vermitteln und Sühne für Sünden gewährleisten sollen.

Jesus missbilligt also nicht nur dieses oder jenes, was mit dem Opferkult einherging, gewisse Geschäftspraktiken, die damit verbunden waren. Es geht ihm um etwas Grundsätzliches.

Die Tempelreinigung ist eine Zeichenhandlung hinter der mehr steckt. Gott ist an keinen Ort - und sei er noch so heilig - gebunden und an keine rituellen Handlungen.

„Schluss mit eurem Kuhhandel zwischen Menschen und Gott.

Schluss mit eurem Kaufmanns-Gott!“

Gott schenkt sich aus Liebe. Er ist doch der Abba, der gute Vater. „Wenn schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr euer Vater im Himmel?“

Gott muss nicht erst gnädig gestimmt werden. „Er ist“, wie der Psalmist bekennt, „gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte.“ Und: „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich unser der Herr.“ Er ist sogar noch gut gegenüber den Undankbaren und Bösen. Seine Liebe kommt vor allem, was wir tun.

Es geht um die Entscheidung: Vertraue ich meiner persönlichen Leistung, meinen Opfern, meinen Kasteiungen und asketischen Klimmzügen, meinem religiösen und moralischen Perfektionismus – und meine: Gott muss dann spuren, mich belohnen?

Meine ich: ich muss mir oder kann mir den Himmel verdienen? Oder vertraue ich auf Gott? Erwarte ich alles von mir? Oder erwarte ich alles von ihm? Glaube ich, dass Gott mich liebt und führt? Wie schwer fällt uns das oft, an seine Güte und Liebe zu glauben, wirklich zu glauben, zu glauben, dass wir nicht nur Gottes Kinder heißen, sondern es auch sind und darauf zu vertrauen, dass er uns beschenken will mit der Fülle des Lebens?

 

Es geht noch um etwas anderes bei der Tempelreinigung.

Jesus spricht es an, wenn er sagt: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten!“

Für die Ohren der Juden war dieses Wort skandalös, eine Gotteslästerung. Für sie war der Tempel das Symbol ihrer Identifikation. Die Zerstörung des Tempels bedeutete eine Katastrophe. Für sie war Gott im Tempel gegenwärtig.

 

Jesus beansprucht eine neue Form der Gottesbegegnung:

In seiner eigenen Person, in ihm, dem Sohn Gottes, kann man Gott finden.

Und so sagt Jesus zur Frau am Jakobsbrunnen: „Es kommt die Stunde, wo die Menschen weder auf diesem Berg noch in Jerusalem anbeten werden, sondern im Geist und in der Wahrheit.“ - Die Wahrheit aber ist Christus, der gekreuzigte und auferstandene Herr.

Jesus selbst ist der Ort der Gegenwart Gottes. Es braucht nicht mehr blutige Opfer von Tieren. Jesus selbst wird das wahre Opfer sein. - Er wird sein Leben hingeben als Lösegeld für viele.

„Jesus aber meinte den Tempel seines Leibes.“

Jesus ist der neue und wahre Tempel. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

Und so singen wir in einem bekannten Lied mit Recht:

„Die Kirche ist erbauet auf Jesus Christ allein. Wenn sie auf ihn nur schauet, wird sie im Frieden sein.“

Der wahre Tempel, der wahre Ort der Anbetung, der wahre Got­tesdienst findet auch heute weder in Rom, noch in Lourdes, nicht in Zell und nicht in Altötting statt, auch nicht in Medjogorie oder in Taize, nicht in Latein und nicht in deutsch, nicht mit dem Rücken zum Volk oder dem Volk zugewandt. – Wahrer Gottesdienst geschieht dort, wo Menschen ganz konkret in der Nachfolge Christi leben und versuchen ihr Leben aus dem Glauben zu gestalten.

 

Der Apostel Paulus schreibt an die Römer: „Angesichts des Erbarmens Gottes, ermahne ich euch: bringt euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer dar; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“

 

Der neue Tempel ist ein Bau aus lebendigen Steinen.

Wenn wir ein bewusstes Leben mit dem auferstandenen Christus in unserer Mitte führen und wirkliche Gemeinschaft untereinander pflegen in herzlicher Liebe und geschwisterlichem Erbarmen, dann sind wir der neue, lebendige Tempel.

„Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und dass Gottes Geist in euch wohnt?“

 

Es stimmt und ist wahr, was wir im gleichen Lied singen:

Seht Gottes Zelt auf Erden verborgen ist er da. In menschlichen Gebärden bleibt er den Menschen nah.“

Ubi Caritas et amor, deus ibi ist.

Wo die Güte und die Liebe, da ist Gott.