Wieder ist es Advent. Ein neues
Kirchenjahr beginnt.
Und wir bereiten wir uns auf
Weihnachten vor.
Doch ist es nicht so, dass der
Advent von Jahr zu Jahr mehr seinen Charakter verliert, immer äußerlicher wird?
Gehen wir nicht von Jahr zu Jahr
ratloser auf Weihnachten zu?
Der Advent soll eine Zeit der
Stille sein. Doch sieht die Wirklichkeit nicht weithin anders aus? Nimmt der
Lärm, das Laute nicht sogar noch zu?
Der Advent soll eine Zeit der
Besinnung sein, der Einkehr, der Ruhe. Doch wo ist davon etwas zu spüren?
Sind die Betriebsamkeit und die Hektik nicht noch größer als sonst.
Der Advent soll eine Zeit der
Umkehr sein. „Metanoeite“, hören wir den Täufer rufen: „Sinnt um,
ändert euer Leben, bereitet dem Herrn den Weg!“ Doch wer nimmt davon Notiz?
Kehren die Menschen ab vom Bösen? Wer vollzieht die bewusste Hinkehr zu Gott?
Liebe Schwestern und Brüder!
Advent heißt Ankunft. Adventus
domini = Ankunft des Herrn.
Der Advent erinnert an das Kommen
Gottes bei uns Menschen. Advent ist nicht nur eine 3- bis 4-wöchige
Saison im Kirchenjahr. Lange haben sich die Menschen dem Kommen Gottes
entgegengestreckt, haben geharrt, gehofft, Ausschau gehalten nach dem
Verheißenen, dem Retter, dem Heiland und Erlöser. Die hunderte, ja tausende von
Jahren des Sehnens, der Erwartung sind eine einzige Adventszeit. Wir können
diese Zeit vor Christi Geburt den Advent des Alten Testamentes nennen.
Es gibt aber nicht nur diesen
vorchristlichen Advent. Es gibt auch den Advent der Kirche. Die Zeit der
Kirche ist Adventszeit. Und Kirche, das pilgernde Gottesvolk, ist
Adventsgemeinschaft.
Wir halten uns nicht nur an die
erste Ankunft Christi vor nahezu 2000 Jahren. Wir erwarten auch „seine
Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit“, wie wir im Credo bekennen.
Maranatha-Komm! „Komm, Herr
Jesus, komm!“ Diese letzten Worte der heiligen Schrift sind Adventsrufe der
Kirche bis heute.
Es gibt noch einen dritten
Advent neben dem des Alten Testament und dem Advent der Kirche. Denn nicht
nur die Zeit der Kirche ist Adventszeit, sondern mein ganzes Leben, das Leben
eines jeden von uns, mag es 50 oder 80 oder 100 Jahre dauern, ist noch einmal
Adventszeit. Mit jedem Tag, mit jeder Stunde wird dieser Advent kürzer. Wir
gehen Christus entgegen, bis wir ihn schauen von Angesicht zu Angesicht. Es ist
gut, wenn wir um den Adventscharakter unseres Lebens wissen. Ein bewusster
Christ ist ein adventlicher Mensch.
Liebe Schwestern und Brüder!
Mir ist noch etwas wichtig, wenn
es um den Advent geht, das Kommen Gottes in unsere Welt und unser Leben: das ist
das „Jetzt“, das „Heute“.
Angelus Silesius fasst das, was
ich meine, in die Worte: „Wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und
nicht in dir, du wärst noch ewiglich verloren.“
Jesus will hier und heute bei
jedem von uns ankommen, geboren werden, Gestalt annehmen. Er will in unser Leben
herein.
Auf einem Gemälde von Holman Hunt
steht Christus mit einer Laterne vor einer verschlossenen Tür. Als man dem Maler
vorhielt, er habe das Wichtigste vergessen, nämlich die Klinke, da antwortete
er: „Es kann außen keine Klinke geben. Die Tür kann nur von innen, von uns
geöffnet werden. ER klopft an. Öffnen müssen wir.“
Mir kommt da ein Wort aus der
Offenbarung des Johannes in den Sinn: „Siehe, ich stehe vor der Tür und
klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich eintreten
und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“
Das ist ein ganz und gar
adventliches Wort. Es lässt Jesus zu jedem von uns sagen: Ich bin da vor deiner
Tür, vor der Tür deines Herzens, vor deinem Innersten. Ich bin da mit meiner
ganzen Liebe und meiner großen Sehnsucht nach dir. Ich bin da mit meiner
ungeteilten Aufmerksamkeit und meinem liebenden Interesse an dir. Ich will
Begegnung mit dir, Gemeinschaft. Ich will bei dir einkehren, mich mit dir
verbinden. Ich will bei dir sein und in dir wohnen. Öffne mir die Tür! Lass mich
hinein in dein Leben, in deine Ängste und Sorgen, in deine Einsamkeit und Leere,
in deine Fragen und Zweifel, in deine Freuden und Betrübnisse!
Natürlich können wir uns taub
stellen, können so tun, als hörten wir ihn nicht. Wir können sein Klopfen als
Störung empfinden.
Wir können uns verschließen. Wir
können uns abwenden. „Er kam in sein Eigentum. Aber die Seinen nahmen ihn
nicht auf.“
Und doch wäre gerade das unser
Segen und unser Heil, sein Klopfen wahrzunehmen, seine Stimme zu hören, auf sein
leises, werbendes, unablässiges Rufen zu achten. Gott klopft an in den
verschiedensten Situationen und Ereignissen, in Menschen, die mir begegnen, in
der Stimme des Gewissens, in seinem Wort.
Auf vielerlei Weise kommt er auf
uns zu, macht sich bemerkbar, klopft und ruft.
IHM aufmachen, IHN hereinlassen in
mein Leben, in meinen Alltag. Das zulassen, das einüben wäre eine Aufgabe für
den Advent. “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der
Herrlichkeit!“
Aber Christus zwingt sich nicht
auf. Er drängt sich nicht auf. Er klopft an. Ihm öffnen, ihn einlassen, ihn
aufnehmen müssen wir.
Ein Rabbi überraschte einige
Gelehrte, die seine Gäste waren mit der Frage: „Wo wohnt Gott?“ Sie
lachten über ihn: „Wie redet Ihr! Die Welt ist doch voll von seiner
Herrlichkeit!“ Er aber beantwortete seine eigene Frage: „Gott wohnt, wo
man ihn einlässt!“
Können wir schon singen: “Komm,
o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist?“ Wir können
aber bitten: „Ach zieh mit deiner Gnade ein, dein Freundlichkeit auch uns
erschein!“
Herr, mein Gott,
ich danke dir für dein Kommen.
Du kommst immer neu zu mir:
In deinem Wort – das du zu mir
sprichst
In deinem Brot – das du für mich
brichst
In deinem Tod – den du für mich
stirbst
In deinem Heile – das du mir
erwirbst
In jedem Weg – den ich mit dir
geh‘,
in jedem Bruder – in dem ich dich
seh‘.
Amen. Komm, Herr Jesus |