Exerzitien mit P. Pius

Sie sind hier: Startseite Vorträge Neues Testament Empfangen und Geben

Startseite
Jahresprogramm
Vorschau
Predigten
Vorträge
   christliche Spiritualität
   Heilige
   Kirchenjahr
   Altes Testament
   Neues Testament
Bildmeditationen
Geistliche Impulse
Persönliches
Fotogalerie
Kontakt
Links
 
 
 
 
 

Euer Herz lasse sich nicht verwirren

(Joh 14, 1-12; Vortrag zum 5. Ostersonntag - Lesejahr A)

 

So gibt die Einheitsübersetzung das Wort Jesu wieder, das am Anfang des heutigen Evangeliums steht. Mir gefällt eine andere Übersetzung besser: „Euer Herz sei ohne Angst!“

 

Eigenartig: Ich höre dieses Evangelium immer wieder gern.

 

Es sind wunderbare, ergreifende und zu Herzen gehende Worte, Sie stehen am Beginn der Abschiedsreden Jesu, die sich im Johannesevangelium über drei Kapitel hinziehen.

 

„Euer Herz sei ohne Angst! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“

Gerade zuvor hatte Jesus den Jüngern gesagt, dass er nur noch kurze Zeit bei ihnen sein werde. Er hat bereits seinen Leidens- und Kreuzweg im Blick. Und dem künftigen Verräter hat er schon angewiesen: „Was du tun willst, tue bald!“

Die Jünger sind erschrocken, ratlos, durcheinander. Ein Leben ohne Jesus? Wie soll das gehen? - Jesus spürt ihre Verwirrung und Angst. Es ist die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Es ist die Angst vor dem Alleinsein. Sie können sich das gar nicht vorstellen. Am Schluss der Abschiedsreden versichert Jesus den Seinen: „In der Welt habt ihr Angst. Doch habt Vertrauen! Ich habe die Welt überwunden.“

 

Gegen die Angst gibt es nur ein Mittel: Vertrauen. Als Jesus einst in der vierten Nachtwache über den See zu den Jüngern kam und sie aufschrien vor Angst, da hat er ihnen zugerufen: „Habt Vertrauen. Ich bin es.“ Jetzt prägt Jesus ihnen erneut ein: „Euer Herz sei ohne Angst!“ Und: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“

 

Glauben und Vertrauen sind imstande, Angst und Sorge zu überwinden. Allerdings: Widerstände und Widrigkeiten werden damit nicht beiseite geschafft, Not und Gefahren werden nicht weggewischt, Leid wird nicht aufgehoben. All das bleibt, all das wird es immer wieder geben. Auch dem Glaubenden bleibt es nicht erspart. Aber die Jünger Jesu sollen und dürfen all dem getrost ins Auge schauen. Sie sollen und dürfen sich auch inmitten der Übermacht des Bösen von der Hand des Vaters getragen und von Jesus durch alle Schrecken hindurch geführt wissen.

„Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht. Ich fürchte kein Unheil. Du bist bei mir!“ (Ps 23) - Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber in allem Leid.“

„Euer Herz sei ohne Angst!“ Die große Mystikerin und Kirchenlehrerin Theresa von Avila hat sich diese Botschaft sehr zu Herzen genommen. Tagaus, tagein trug sie einen Zettel bei sich und darauf stand:

„Nichts soll dich ängstigen, nichts dich verwirren. Alles geht vorüber. Gott bleibt sich treu. – Geduld erreicht alles. Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott nur genügt.“

 

Noch einen Grund, nicht betrübt und verzagt zu sein, gibt Jesus den Seinen in der Stunde des Abschiedes an: dass er nämlich nicht von ihnen geht, um sie im Stich zu lassen oder sie ihrem Schicksal zu überlassen. Er geht nämlich gar nicht fort. Sondern er geht ihnen voraus zum Vater. Die Trennung ist keine endgültige. Wo er ist, da verspricht er auch ihnen einen Platz und Geborgenheit: „Ich gehe hin euch eine Wohnung zu bereiten. Wenn ich hingegangen bin und euch eine Wohnung bereitet habe, dann werde ich wieder kommen und euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ – „Zu mir“, das meint Verbundenheit, Gemeinschaft mit Jesus, Gemeinschaft mit Gott. Das meint Zusammensein, Freude, Glück. All das, wonach wir uns ihm Tiefsten sehnen. „Damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ Da ist Herrlichkeit und Licht, da ist Ruhe und Frieden. Und alles ist Gnade und Geborgenheit am Herzen Gottes.

 

Unser Leben hat dieses Ziel. Wir gehen einer großen Verheißung entgegen: Leben in seinem Licht, Leben in seinem Glück, Leben in seinem Leben. Leben in seiner Vollendung. Ja, „das Leben wird uns gewandelt nicht genommen. Und wenn die Herberge unserer irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ (Präfation für Verstorbene)

 

Dem Thomas im Evangelium fällt es schwer, daran zu glauben. Jedenfalls kommt ihm das, was Jesus mitgeteilt hat, recht schleierhaft vor. Er kann es noch nicht einordnen. „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst“, wendet er ein. – Jesus hat wohl vom Haus des Vaters gesprochen, aber wo muss er es suchen? Wo wohnt Gott? Eine uralte Frage. Bis heute ist sie nicht verstummt.

 

Gott ist jenseitig. Er ist der ganz andere. Er hat alles geschaffen. Er wohnt in unzugänglichem Licht. Er ist unsagbar größer, als wir Menschen begreifen. Und doch ist er uns ganz nahe. Seine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen und ohne die wir nicht leben können. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, sagt Paulus bei seiner Rede auf dem Areopag in Athen.

 

Bei allen Mystikern finden wir die Aussage: Gott wohnt in uns. Augustinus hat den Gedanken: Gott ist uns näher als wir uns selbst. Er ist uns innerer als unser Innerstes. Theresa von Avila lässt Gott zu sich sprechen „O Seele, suche mich in dir. Du bist mein Haus und meine Bleibe.“ Von Johannes Tauler stammt das Wort: „Wer sehen könnte, wie im Seelengrund Gott wohnt, den würde dieses Gesicht selig machen.“ Angelus Silesius hat in seinem Cherubinischen Wandersmann den Vers: „Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“

 

Dass der Himmel etwas Jenseitiges ist, haben wir uns immer schon so vorgestellt. Oft auch so, wie die Künstler dies immer dargestellt haben: als eine riesige Halle, in der die heiligste Dreifaltigkeit thront, umgeben von den Chören der Engel und Seligen, die Gott das ewige Lob singen. Doch den Himmel nicht nur oder nicht so sehr in einer jenseitigen Welt zu suchen, sondern in uns selbst zu sehen, Gott in uns zu sehen und ihn in uns selbst zu suchen, das ist ein Gedanke, der uns wenig geläufig, wenig vertraut, vielleicht sogar ganz neu ist und der daher auch wenig unser Leben und unser Christsein prägt. Und doch entspricht es voll und ganz neutestamentlicher Theologie

Wir sind die Wohnung Gottes. In den Abschiedsreden sagt Jesus – wir hören das im Evangelium vom nächsten Sonntag:

„Wer mich liebt, hält fest an meinem Wort, mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“

 

Es ist der Gedanke von der Einwohnung Gottes im Herzen der Glaubenden. Dass Jesus nach seiner Auferstehung weiterlebt, ist uns wohl bewusst. Aber wie er weiterlebt, ist in der kirchlichen Verkündigung oft einseitig dargestellt worden. Natürlich glauben wir daran, dass er in der Herrlichkeit des Vaters weiterlebt. Auch der Gedanke des Konzils, dass die Kirche selbst in ihrer vielfältigen Gestalt, aber vor allem in dem, was sie innerlich aufbaut, der fortlebende Christus ist, ist uns vertraut. Selbstverständlich wissen wir auch um die Gegenwart Christi im heiligsten der Sakramente. Aber der Gedanke, dass wir selbst mit unserem Glauben, unserer Liebe, unserer Innerlichkeit und unserem mystischen Verlangen der Ort der Gegenwart Christi sind, ist uns wenig bewusst.

 

Wenn wir an Ostern denken und das Ostergeheimnis feiern haben wir fast immer die vertikale Dimension im Blick, nämlich, dass Christus auferstanden ist und dass er dann in der Himmelfahrt zur Rechten des Vaters erhöht wurde. Aber es gibt auch eine horizontale Dimension, die meistens allzu sehr vernachlässigt und übersehen wird. Sie betrifft die mystische Anwesenheit Jesu, dass Jesus durch seinen Geist auch in den Herzen der Seinen fortlebt.

Es kostet einigen Mut, Ostern so zu sehen und an Jesu Gegenwart in uns zu glauben. Dass Jesus heimgekehrt ist an seinen Ursprungsort am Herzen des Vaters ist das eine, das andere, dass er eingekehrt ist in die Herzen der Seinen. Das für uns zu entdecken, das zu wissen und daran zu glauben, macht die Osterfreude erst voll.

 

Glauben, dass Gott in mir wohnt, sich immer wieder bewusst einüben in die Gegenwart Gottes. Das ist im Grunde Meditation und Kontemplation: Wahrnehmen der lebendigen Gegenwart Gottes in uns und dann versuchen so gut wir können in der ständigen Gegenwart Gottes auch im Alltag zu leben.

Mir geht immer mehr auf, wie wichtig das ist, welch kostbares Gut und wie beglückend und stärkend, ja beseligend im wahrsten Sinne des Wortes. „Wohne in mir, mache mich eins mit dir, der mich zum Leben erkoren.“

„Euer Herz sei ohne Angst!“ Wir brauchen keine Angst zu haben. „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Wir dürfen vertrauen.

Habt keine Angst, vertraut, habt Mut, sagt Jesus den Seinen!

Und er sagt es auch uns. Nie sind wir allein. Gott ist da. Jesus Christus ist bei uns alle Tage, uns näher als wir uns selbst. Nichts, was uns zustoßen mag, kann uns wirklich erschüttern, wenn wir im Gebet, im Hören auf sein Wort, mit Hilfe der Sakramente und durch unser ganzes Leben mit ihm verbunden bleiben.

Der heutige Evangeliumsabschnitt enthält (noch) einen programmatischen Satz aus dem Munde Jesu, der im Grunde die ganze Botschaft des Neuen Testamentes in sich zusammenfasst und überdies als eines der großen Schlüsselworte des Neuen Testamentes zu gelten hat. Es handelt sich um eines der „Ich bin Worte“ Jesu. In ihm bringt Jesus zum Ausdruck, dass er selbst und niemand sonst die leibhaftige Selbstoffenbarung Gottes ist.

In ihm und keinem anderen ist Gott aus dem Dunkel seiner ewigen Verborgenheit hervorgetreten, hat Gott sein ewiges Schweigen gebrochen, ist selbst zu uns gekommen, um zu uns zu reden und sich uns zu erkennen zu geben.

Dieses „Ich bin Wort“ Jesu, eines von sieben im Johannesevangelium, wird provoziert durch einen Einwand, eine Frage, die Thomas stellt. Dieser möchte eine direkte und unverhüllte Antwort über das Ziel und den Weg Jesu. Jesus gibt sie ihm. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Und er fügt hinzu: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

Eine Antwort, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt.

 

Heute hören viele diese Antwort nicht mehr gern.

In unserer pluralistischen Welt, in einer Welt, wo unzählige Heilsangebote propagiert und viele Wege zum Glück angepriesen werden, die alle gleich gültig sind, in einer Welt, wo es so viel Modisches und Trends auch im Religiösen gibt, wo sich so viele dem Götzendienst und heidnischen Praktiken zuwenden, ist und bleibt diese Aussage ein ungeheurer Anspruch und eine  Provokation. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Und: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

 

Wenn ich mit meinem Leben der Spur des Evangeliums folgen will, komme ich an dieser Aussage nicht vorbei. Und jeder, der zu Gott will, kommt an Jesus nicht vorbei. Distanzierte Neutralität ist nicht vorgesehen! Unterscheidung der Geister, Entscheidung ist gefordert. Das ist ein Verstoß gegen das Toleranzgebot unserer Zeit. Jede Ideologie, jede Weltanschauung, jede Religion, jeder Lebensentwurf, jede Lebensart wird da als gleich gültig, gleichwertig, gleich berechtigt, gleich gut angesehen. Jeder kann nach seiner Fasson selig werden. Wer etwas anderes sagt oder gar Einzigartigkeit postuliert, stört den „Frieden“. Als intolerant zu gelten ist heute das Schlimmste. Zwar lebt jede Religion von ihrer inneren Überzeugungskraft. Aber das Christentum ist keine Religion wie die anderen. Es ist kein menschlich konstruiertes Lehr-, Moral und Esoteriksystem. Das Christentum ist eine Person. Und diese Person ist der Weg zum Vater. Wer Jesus hat, hat jetzt schon das Leben. Denn wer an den gesandten Sohn Gottes glaubt, glaubt an den Vater, der ihn gesandt hat.

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

Wir sind aufgerufen, wieder neu „ja“ zu sagen zu Jesus Christus, uns zu ihm zu bekennen, frei und ungezwungen, echt und ehrlich!

 

In Jesus Christus ist uns die Richtung gewiesen. „Ein Wort ist wahr ...Ein Weg ist wahr... Die Liebe zählt.“ (vgl. das Lied von Lothar Zenetti im Gl. 623!).

Jesu Weg ist ein Weg der Liebe und nicht des Hasses, ein Weg des Friedens und nicht der Gewalt, ein Weg des Teilens und nicht des Egoismus. Jesus ist die Wahrheit, weil er der Offenbarer des Vaters ist und weil wir in ihm Gott selbst begegnen.

 

Eines meiner Lieblingsgebete, ein Hymnus aus dem Stundenbuch (Brevier), den ich auswendig kann und gern bete, oft auch nach dem Kommunionempfang oder bei der Danksagung nach der Heiligen Messe, bringt die Einzigartigkeit Jesu sehr schön und treffend zum Ausdruck:

 

Christus, göttlicher Herr,

dich liebt, wer nur Kraft hat zu lieben,

unbewusst, wer dich nicht kennt,

sehnsuchtsvoll, wer um dich weiß.

 

Christus, du bist meine Hoffnung,

mein Friede, mein Glück, all mein Leben.

Christus, dir neigt sich mein Geist,

Christus, dich bete ich an.

 

Christus, an dir halt ich fest

mit der ganzen Kraft meiner Seele,

dich, Herr, lieb ich allein,

suche dich, folge dir nach.

 

Nichts ist mir so gewiss wie seine Gegenwart.

Nichts ist mir so gewiss wie seine Liebe.

Und nichts kann uns trennen von dieser Liebe.

 

„Euer Herz sei ohne Angst!“ Wir brauchen keine Angst zu haben. „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Wir dürfen vertrauen.

Habt keine Angst, vertraut, habt Mut, sagt Jesus den Seinen!

Und er sagt es auch uns. Nie sind wir allein. Gott ist da. Jesus Christus ist bei uns alle Tage. Und Gottes Kraft geht alle Wege mit. Nichts, was uns zustoßen mag, kann uns wirklich erschüttern, wenn wir im Gebet, durch sein Wort, mit Hilfe der Sakramente und durch unser ganzes Leben mit ihm verbunden bleiben, mit ihm, Jesus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist.

 

   Druckansicht

 

Seitenanfang