geistliche Impulse

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Vortrag

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Masken

 

Jetzt haben wir sie wieder erlebt, die Zeit der Narren, der Hexen und Teufel, die Zeit der Geister, der Kobolde und Clowns.

Die Aktiven der Fasnacht, der Narrenzünfte und Hexengruppen hatten in den vergangenen Wochen Hochsaison und einen vollen Terminkalender. Wochenende für Wochenende sind sie in ihre Häs (alemannisch) gestiegen, in ihre Hexenkostüme oder sonstige Verkleidungen.

Und ihr Gesicht haben sie hinter einer Maske versteckt.

 

Die Maske vor dem Gesicht, habe ich mir sagen lassen, kann sehr anstrengend sein, vor allem dann, wenn es sich um eine schwere Holzmaske handelt, die man zudem in der Öffentlichkeit nicht abnehmen darf.

 

Das stundenlange Eingezwängtsein in eine schwere Holzmaske, dazu vielleicht noch ein schwerer Hut und ein unbequemes Kleid kann bei Umzügen und Narrentreiben auf den Straßen und in Lokalen äußerst beschwerlich sein.

Hinter der Maske ist es eng und stickig. Die Sicht ist eingeengt. Man sieht nicht rechts und links. Eigentlich sind es recht anstrengende Tage hinter der Maske. Der Spaßfaktor ist eher gering. Und am Fasnachtsdienstag ist man gewöhnlich froh und erleichtert über die Demaskierung.

 

Doch einen Vorteil hat die Maske. Man kann sein wahres Gesicht verbergen. Man bleibt unerkannt und anonym. So kann man seine Späße machen und den anderen die Meinung sagen, ohne das Gesicht zu verlieren.

 

Die Idee, sein Gesicht hinter einer Maske zu verstecken, ist uralt.

Masken gibt es nicht nur hier zu Lande an der Fasnacht.

Masken gibt es bei allen Völkern und Kulturen.

Und es gibt sie zu allen Zeiten.

Schon in der Kunst und Bilderwelt der Steinzeitmenschen vor 10.000 Jahren tauchen immer wieder Maskenträger auf, meistens in Tiergestalt.

 

Es scheint ein Urbedürfnis des Menschen zu sein, sich eine Maske aufzusetzen, sein Gesicht zu verändern, es zu verstecken, sich hinter einem fremden Wesen zu verbergen.

Kinder maskieren sich gern. Schon die Hände vor das Gesicht zu halten und durch die Finger hindurch zu lauern ist eine Art, sein Gesicht zu verstecken, sich zu maskieren.

In Vaters Stiefel steigen oder sich in Mamas Stöckelschuhen groß zu machen, hat eine ähnliche Bedeutung und Wirkung.

Jemand hochnehmen, bluffen, motzen, lässig tun, sich frisieren, schminken, die Sonnebrille (sich nicht in die Augen schauen lassen): alles kann eine Art Maske sein.

 

Wer sich maskiert, möchte gern etwas anderes sein, etwas vormachen, Schauspielen, eine Rolle spielen, sein wirkliches Wesen verbergen bzw. sein wahres Ich nicht zeigen.

 

In der Fasnacht und beim Faschingsball macht der biedere Büromensch dann mal gern einen gefährlichen Piraten und die Kassiererin vom Supermarkt spielt gern eine Prinzessin.

 

Masken tragen wir sehr oft, nicht nur zur Fasnacht, manchmal mehrere auf einmal. Manchmal nehmen wir eine unserer Masken ab, aber dann kommt darunter nur eine neue Maske zum Vorschein. Wir machen die größten Anstrengungen, zu verbergen, was wir in Wahrheit sind.

 

Man kann fragen: Wann tragen wir eigentlich keine Maske?

Und: Können wir überhaupt ohne Maske sein?

 

Manchmal tragen wir die Maske aus freien Stücken,

oft aber auch gezwungenermaßen.

 

Die Verkäuferin, der Bankbeamte, die Bedienung in der Gaststätte, der Schaffner im Zug, immer sollen oder müssen sie freundlich sein, nett, zuvorkommend, hilfsbereit, ob sie wollen oder nicht, ob ihnen danach zumute ist oder nicht.

Der Kunde ist „König“.

Und sogar ein schlechtes Benehmen des Kunden muss mit Freundlichkeit und Höflichkeit beantwortet werden.

So will es der Arbeitgeber.

 

Aber auch im Kollegenkreis geben wir uns längst nicht immer so wie wir sind. Auch da tragen wir Masken.

Man darf z. B. keine Schwäche zeigen und sich keine Blöße geben. Das wird gnadenlos ausgenutzt. Es gilt das Recht des Stärkeren.

Andererseits darf man wiederum auch nicht zu arrogant sein, kein Kritikaster, keiner, der dauernd meckert. Das kommt auch nicht gut an. Oft muss man auch vorsichtig sein, was man sagt, und wem man etwas sagt.

Und so sucht man nicht nur dem Chef, sondern auch den Kollegen und Kolleginnen zu gefallen, sich anzupassen und den Erwartungen zu entsprechen.

 

Nicht nur im Berufsleben ist das Maskentragen gefordert, auch in unserem Privatleben.

Auch da tragen wir oft Masken und verbergen unser wahres Gesicht.

Wir machen gute Mine zum bösen Spiel.

Nach außen zeigen wir uns anders als wir nach innen fühlen.

Wir pflichten z. B. bei und stimmen zu, aber in uns ist Widerstand und Abwehr. Wir spielen den Mitleidigen, dabei sind wir schadenfroh. Oder wir spenden Lob und Anerkennung, dabei beherrscht uns Neid und Eifersucht. Wir heucheln Zuneigung, wo wir gar keine spüren. Die Erben weinen, aber unter der Maske ist es ein Lachen.

 

Oder wir geben uns freundlich und zeigen uns aufgeräumt, aber innen sieht es ganz anders aus. Doch das geht niemand etwas an, das verbergen wir, das überspielen wir.

„Wie geht’s?“ Meistens sagen wir „gut“, auch wenn’s nicht stimmt und es uns vielleicht sogar beschissen geht.

 

Wir tun so als wären wir gut drauf, alles in Ordnung, alles im Griff, alles im grünen Bereich. Und denken: „Wenn die wüssten!“

In Wirklichkeit erdrücken uns fast die Sorgen und Probleme.

Oder wir geben uns heiter, aber in uns ist Unruhe und Angst.

Wir geben uns gelassen, routiniert, selbstsicher, so als stünden wir drüber, aber in Wirklichkeit gärt und kocht es in uns.

 

Wir sind verärgert, wütend. Am liebsten würden wir den anderen würgen oder auf den Mond schießen. Aber wir dürfen uns keine Blöße geben, müssen uns zusammenreißen, vielleicht sogar schön tun und freundlich sein.

Wir tun so als wüssten wir Bescheid, als bräuchten wir niemand, als ginge uns alles leicht von der Hand. Aber auch uns gelingt nicht alles. Manches geht schief, manches bleibt bruchstückhaft.

Doch nach außen zeigen wir das nicht. Wir lassen es nicht mer­ken. Wir geben es nicht zu. Wir spielen den starken Mann, den Könner, den Tüchtigen, den Wissenden. Und sind nach innen doch oft wie ein zittriges Kind. Wenn wir allein und für uns sind, könnten wir losheulen, so elend ist uns zumute.

Oft kostet es viel Kraft, die Fassade nach außen aufrechtzuerhalten. Mit Müh und Not gelingt es vielleicht auch eine Zeit lang, Sorgen, Ängste, Probleme zu verbergen, so tun als sei alles in bester Ordnung, bis wir es nicht mehr schaffen, bis uns die Luft ausgeht und das Kartenhaus, das Lügengebäude, zusammenbricht.

 

Selbst im Freundes- und nächsten Verwandtenkreis tragen wir manchmal Masken, zeigen nicht immer unser wahres Gesicht, sagen nicht immer alles, was wir denken, verheimlichen dieses und jenes und verbergen Seiten an uns, die andere nicht wahrnehmen sollen.

 

Warum? Wir wollen Konflikte vermeiden, unnötigen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen. Wir fürchten uns vor dem Urteil der anderen. Wir haben Angst vor Zurückeisung und Ablehnung. Wir wollen nicht, dass andere schlecht über uns denken und reden.

Es gibt Dinge, die wir selbst der besten Freundin, dem besten Freund nicht anvertrauen. Selbst vor dem Ehepartner verschweigen wir manches, wo wir denken, das muss er/sie nicht unbedingt erfahren, das braucht er/sie nicht zu wissen.

 

Warum? Weil wir Aufregung vermeiden und uns Ärger ersparen wollen. Oder weil wir einfach nur den leichteren Weg gehen wollen. Oder weil wir denken, unsere Ziele so besser erreichen zu können.

 

Oft tragen wir auch mehrere Masken, indem wir verschiedene Rollen spielen.

Jemand ist z.B. im Geschäft die Chefin, die hin stehen muss, Entscheidungen treffen, sagen, was Sache ist und wo es lang geht und manchmal auch hart durchgreifen.

Zuhause ist sie die gute Mutti, die liebe Ehefrau, die für die Ihren da ist, treu und sorgend, dass es allen gut geht.

Am Abend im Frauentreff ist sie die Allroundunterhalterin, die Stimmungskanone mit viel Humor und immer ein Witz auf Lager.

 

Ein anderes Beispiel: „der Radfahrer“!

Im Betrieb nach oben buckeln, zu Hause nach unten treten.

In der Familie ein Tyrann, kaum auszuhalten. Im Verein der gute Kumpel und anderen Leuten gegenüber immer nett und freundlich.

 

Jesus nennt die Pharisäer öfter „Heuchler“, einmal auch „übertünchte Gräber“, außen hui, innen pfui. Zwei Gesichter. Oder er sagt, dass sie anderen schwere Lasten aufbürden, aber selbst keinen Finger rühren, um sie zu tragen? Fasten, beten, Almosengeben tun sie nur, um von den Leuten gesehen zu werden. Es ist nicht echt. Mehr scheinen, als sein.

„Heuchler“ kommt im Griechischen aus der Theatersprache. Gemeint ist der Schauspieler, der anderen etwas vor macht

 

Warum tragen wir Masken?

Wir wollen Konflikte vermeiden, unnötigen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen. Wir fürchten uns vor dem Urteil der anderen. Wir haben Angst vor Zurückeisung und Ablehnung. Wir wollen nicht, dass andere schlecht über uns denken und reden. Wir wollen uns nicht schämen müssen oder uns eine Blamage ersparen.

 

Haben wir nicht alle das Bedürfnis eine Maske aufzusetzen?

Haben Masken nicht auch etwas Gutes?

 

Hier kommen wir an einen entscheidenden Punkt:

Masken verhüllen, verdecken und verbergen nicht nur.

 

Masken haben auch Schutzfunktion. Sie dienen als Selbstschutz.

Masken schützen die Stellen, wo wir verwundbar sind.

 

Wir tragen Masken, weil wir Angst haben, den Blicken und Gedanken anderer Menschen schutzlos ausgeliefert zu sein.

Wir tragen Masken, weil wir Angst haben, verletzt zu werden, enttäuscht, betrogen, dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgeben. Wir wollen uns nicht blamieren oder schämen müssen.

 

Und so haben wir es gelernt, wie man es macht, Schwächen und Blößen zuzudecken, Gefühle zu verbergen und das wahre Gesicht nicht zu zeigen. Aber sind wir so echt?

 

Eine Geschichte erzählt: Es war einmal ein Mann, der trug sieben verschiedene Masken, für jeden Tag der Woche eine. Wenn er morgens aufstand, bedeckte er unverzüglich sein Gesicht mit einer seiner Masken.

Sodann kleidete er sich an und ging zur Arbeit aus dem Haus.

Er lebte auf diese Weise, ohne jemals irgendjemandem sein wahres Gesicht zu zeigen.

Doch eines Nachts, während er fest schlief, stahl ihm ein Dieb seine sieben Masken. Als er aufwachte und den Diebstahl fest­stellte, schrie er völlig kopflos: „Haltet den Dieb! Haltet den Dieb!“ Dann rannte er auf der Suche nach seinen Masken durch alle Straßen der Stadt.

Die Leute sahen ihn wild gestikulieren, fluchen und die ganze Welt mit den schlimmsten Schicksalsschlägen bedrohen, wenn er nicht seine Masken wiederfinden könnte. Den ganzen Tag verbrachte er damit, nach dem Dieb zu suchen, aber es war alles umsonst.

Verzweifelt und untröstlich brach er zusammen und weinte wie ein kleines Kind. Die Leute versuchten ihn zu trösten, aber nichts konnte ihm aus seinem Unglück helfen.

Da kam eine Frau vorbei und fragte ihn: „Freund, was ist mit dir los? Warum weinst du so?“ – Er hob den Kopf und gab mit erstickter Stimme zur Antwort: „Man hat mir meine Masken gestohlen und mit derart unverhülltem Gesicht fühle ich mich viel zu verletzbar.“ „Tröste dich“, sagte sie, „schau mich an: Ich habe von Geburt an immer mein Gesicht gezeigt.“

Er sah sie lange an und erkannte, dass sie sehr schön war.

Die Frau beugte sich zu ihm herab, lächelte ihm zu und trocknete ihm die Tränen ab. – Da spürte der Mann zum ersten Mal auf seinem Gesicht, wie wohl es tat, zärtlich berührt zu werden.

 

Ein Text von Christa Weiß lautet:

Seit Jahren schon laufe ich mit einer Maske umher.

Sie ist mein zweites Gesicht geworden.

Ich habe gelernt, wie man es macht, seine Schwächen zu verdecken und die Gefühle zu verbergen.

Ich lächle verbindlich, aber mein Lächeln ist nicht echt.

Ich lege Sicherheit an den Tag, aber in Wirklichkeit

spiele ich Theater.

Ich tu so, als fiele mir alles in den Schoß, als irrte ich niemals,

als hätte ich weder Sehnsucht noch Heimweh.

Warum bin ich nicht so, wie ich wirklich bin?

Wenn ich allein und für mich bin, fällt mir die Maske vom Gesicht.

Wenn dann einer käme und sagte: Du, ich mag dich trotzdem.

Ich will dich so wie du bist, ich brauche dich…

 

Für Gott sind alle Masken durchsichtig.

Der hl. Franziskus sagt:

„Was der Mensch vor Gott ist, das ist er und nicht mehr.“

 

Im Psalm 139 betet der Psalmist:

„Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich,

ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.

Von fern erkennst du meine Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt,

du bist vertraut mit all meinen Wegen.“

 

Dietrich Bonhoeffer gibt auf die quälende und oft gestellte Frage „Wer bin ich?“ schlussendlich die befreiende Antwort:

„Wer ich auch bin, du kennst mich. Dein bin ich, o Gott.“

 

Zitate

  • Eine Maske erzählt mehr als ein Gesicht. (Oscar Wilde)

  • Erstaunlich, dass der Mensch nur hinter seiner Maske ganz er selbst ist. (Edgar Allan Poe)

  • Wer nicht weiß, dass er eine Maske trägt, trägt sie am vollkommensten. (Theodor Fontane)

  • Mit der Zeit wird die Maske zum Gesicht. (unbekannt)

  • Die Maske eines Menschen kann so schön sein, das ich Angst vor seinem Gesicht habe. (Alfred de Musset)

  • Geliebt werde ich dort, wo ich ohne Maske herumlaufen kann. (unbekannt).

  • Wer sein wahres Gesicht hinter gerade passenden Masken versteckt, verliert es mit der Zeit aus den Augen. (E. Ferstl)

  • Wenn Eltern ständig verschiedene Masken tragen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn ihre Kinder sie für Narren halten (E. Ferstl)

  • Manche Narren setzen zu Fasching ihre Masken ab. (Stefan Schütz)

  • Nach Fasching ist dann wieder Maskenzwang. (Manfred Heinrich)

 

BESINNUNGSFRAGEN

Welche Maske oder Masken trage ich?

Was verberge ich wem gegenüber?

Welche Masken sind mir zur Gewohnheit geworden?

Wovor schützen meine Masken mich?