geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Priesterjubiläum

(Predigt anlässlich des Goldenen Priesterjubiläums von P. Gebhard)

 

Eine berühmte Filmschauspielerin schildert in ihren Lebenserinnerungen ein Gespräch mit einem Dorfpfarrer.

Unter anderem fragt sie ihn: „Wie denkt man über die Menschen, wenn man viele Jahre lang ihre Beichte gehört hat.“

Die Antwort des Pfarrers: „Wissen Sie, die Leute sind sehr viel unglücklicher als man denkt.“

 

Als ich das las, habe ich spontan zugestimmt. Denn genau so erfahre ich es auch. Als junger Mensch, als Schüler und Student hätte ich es mir nicht träumen lassen, wie viel Unglück es gibt, wie viel Kaputtes, wie viel Enttäuschung und Verbitterung, wie viel an zerstörten Beziehungen und Einsamkeit, wie viel Ratlosigkeit und Angst, wie viel Leid und Not vielfältigster Art - hinter den glatten Fassaden unserer Wohlstands-, und Spaßgesellschaft.

 

Hat nicht Jesus in der Begegnung mit Menschen ähnliche Erfahrungen gemacht? - Jesus war zutiefst berührt vom Elend der Menschen. Großes Mitleid packte ihn angesichts der vielen, die „müde und erschöpft waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“.

„Wie Schafe, die keinen Hirten haben...!“

Auf wie viel Menschen trifft genau dies zu? Auch heute!

 

Für mich gehört es zu den bewegendsten Erfahrungen als Priester, vielen Menschen zu begegnen, die ganz tief entmutigt sind, sich selber ein Rätsel, Menschen, die angesichts der Erfahrung von Brüchen und Scherben und Grenzen ganz tief entmutigt sind,  nach dem Warum und Wozu fragen, nach Sinn und Ziel.

 

Wie kostbar ist da das ermutigende Wort eines Menschen, wie heilend, wenn einer sich Zeit nimmt und zuhört, wie wertvoll, wenn jemand zu raten, zu trösten und aufzurichten versteht, wie wohltuend das Verständnis, das jemand zeigt oder die Orientierung, die einer zu geben vermag. - Wie kostbar und wertvoll ist erst recht die Hingabe eines Menschen, den Gott zu Hilfe schickt.

 

Lieber Gebhard!

Wie vielen Menschen bist Du in den 50 Jahren, da du Priester bist, begegnet? Wie viele Wege bist Du gegangen, um Menschen den Glauben zu bringen? Wie viele Gespräche hast Du geführt, um Menschen im Vertrauen zu stärken und sie zu Christus zu führen? Wie viele Stunden Religionsunterricht hast Du gehalten, Glaubensunterweisung an Schulen oder auch berufsethischen Unterricht bei der Polizei?

Es sind unzählige, denen Du Hirte, aber auch Weggefährte und Bruder geworden bist?

Wie viel Zuversicht konntest du vermitteln, wie viel Gottvertrauen in die Herzen einpflanzen?

Wie vielen durftest und konntest Du das Wort Gottes verkünden, das Wort, von dem es in einem Lied heißt: „Es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten. Es ist wie ein Stern in der Dunkelheit“?

Wie viele durften durch Dich erfahren, dass es bei Gott immer einen Weg zurück gibt, dass bei ihm die Tür immer offen ist und dass es keine Sünde gibt, die Gott nicht verzeihen könnte, weil seine Liebe größer ist als alle Schuld?

 

Vor ein paar Wochen: Ein Mann von der Ortenauklinik, etwa 65 Jahre alt, legt eine Lebensbeichte ab. Er will alles loswerden. Er packt aus. Er macht reinen Tisch. Er will neu anfangen. Für mich selbst eine „geistliche Sternstunde“. Sehr beglückend darf ich erfahren: Gott wirkt durch den Dienst des Priesters auch heute noch Wunder!  

 

Und noch etwas: Wie oft lieber Gebhard, hast Du mit den Gläubigen die hl. Messe gefeiert! 50 Jahre durftest und konntest Du diesen Dienst ausüben. Die Eucharistiefeier ist der Höhepunkt priesterlichen Wirkens. Aber es ist nicht nur die Mitte priesterlicher, sondern überhaupt christlicher Existenz, Quelle und Höhepunkt.

Wie viel Gnade, wie viel Segen geht vom Altar aus!

 

Ich finde es eine wunderbare Aufgabe, Priester zu sein, Menschen begleiten zu dürfen in den Hochzeiten und an den Tiefpunkten, in leidvollen Zeiten und in frohen Stunden; vor allem ihnen immer wieder die ermutigende Botschaft von Gott zu sagen, von dem Gott, der an unserem Leben Anteil nimmt, der mitgeht, auch unsere Umwege, der in Jesus gekommen ist, zu suchen, was verloren war und zu heilen, was verwundet ist und dem kein Mensch, kein einziger, egal und gleichgültig ist.

Ja, es ist eine wunderbare Aufgabe, Priester zu sein und eine notwendige, weil Not wendende, den Menschen in der persönlichen Begegnung, im Wort, in den Sakramenten sagen und zeigen zu dürfen: Gott interessiert sich für dich, für dein Schicksal, für dein Leben. Ihm bist du unendlich wertvoll, kostbar, wichtig.

Er ist für dich da. „Er ist“, wie es in einem Psalm heißt, „dein Licht und dein Heil. Er ist die Kraft deines Lebens.“

Darum hab` Mut, vertrau! Gott führt und leitet.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein goldenes Priesterjubiläum ist ein Anlass, sich zu freuen und Gott zu danken für die Gnade der Berufung und die Kraft, die Treue und Hingabe, die Gott einem Menschen geschenkt hat. Unser Dank gebührt Gott. - Wir danken aber auch dem Jubilar, ohne ihn hochzujubeln oder gar zu beweihräuchern.

Ich weiß, lieber Gebhard, das möchtest Du auch nicht. Es widerspräche Deinem Naturell, wenn wir jetzt all Deine Verdienste und was Du geschafft und gemacht und geleistet hast, aufzählen würden, nicht nur im seelsorglichen, sondern auch im häuslichen und handwerklichen Bereich besonders in Deiner Offenburger Zeit, aber auch anderorts z.B. in Münster, wo du drei Jahre lang praktisch aus Deinem blauen Anton gar nicht herausgekommen bist. Soviel kann ich sagen: Egal wo Du warst, Du hast Dich nie geschont, Du hast immer all Deine Kräfte eingesetzt, manchmal bis an die Grenzen der Belastbarkeit und bis zur Erschöpfung.

 

Du möchtest heute nicht aufs Podest gestellt werden. Aber danken dürfen wir Dir, lieber Gebhard, der Du den Ruf Gottes gehört bei der Priesterweihe vor 50 Jahren dein Adsum gesprochen und dieses Ja-Wort bis heute durchgehalten hast. Das ist nicht selbstverständlich.

 

Denn, liebe Schwestern und Brüder, auch ein Priester bleibt vor Krisen in seinem Leben nicht verschont. Auch ein Priester ist nicht sicher vor Gefährdungen und Anfechtungen. Auch in seinem Leben gibt es Höhen und Tiefen. Auch er ist Zerreißproben ausgesetzt. Auch er kennt Mutlosigkeit, Enttäuschung, Zweifel. Und es kann sein, dass er manchmal am liebsten alles hinschmeißen möchte.

Gott bedient sich armer, schwacher Menschen, um durch sie für die Menschen segnend und heilend da zu sein.

 

Und doch, liebe Schwestern und Brüder, fragen Sie P. Gebhard, fragen Sie ihn, ob es ihn reut, dem Ruf Christi vor 50 Jahren gefolgt zu sein und sich in seinen Dienst gestellt zu haben! - Ich bin sicher, er wird bezeugen: Ich würde es wieder tun. Ich würde wieder ja sagen. Mit Gottes Hilfe würde ich es wieder wagen!

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein Priesterjubiläum ist ein großer Festtag, ein Tag der Freude und des Dankes. - Aber wir dürfen auch den dunklen Hintergrund, vor dem dies alles heute geschieht, nicht übersehen. Denn Sie wissen, so gut wie ich, dass wir hier zu Lande bittere Erfahrungen machen:

Viele Pfarreien haben keinen eigenen Pfarrer mehr, geschweige denn einen Kaplan, Schwesternstationen werden aufgelöst und Klöster aufgehoben. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Immer weniger sind es, die einen geistlichen Beruf ergreifen.

Der Mangel wird immer spürbarer. - Aber nicht nur der Priestermangel, sondern auch der Gläubigenmangel!

Immer mehr entfremden dem Glauben; immer mehr entfernen sich von der Kirche; immer mehr glauben, auch ohne Gott auszukommen. Viele - auch Getaufte - leben praktisch atheistisch.

 

Gefragt, liebe Schwestern und Brüder, sind Menschen, die in dieser säkularen und scheinbar sich selbst genügenden Welt die Frage nach Gott wach halten und immer wieder die verschüttete, unter allerhand Frust und Kram und Alltagssorgen zugeschüttete Sehnsucht nach einem letzten tragenden Sinn und Ziel wecken.

Gefragt sind Menschen, die Zeugnis geben von der Hoffnung, die sie trägt, vom Vertrauen, das sie prägt, von der Sehnsucht, die sie bewegt, von Gott, der zu uns steht und mit uns geht.

Gefragt sind Menschen, die selber nicht im Vordergründigen, im Oberflächlichen und Vielerlei aufgehen oder hängen bleiben, sondern dazu kommen und dann auch andere dazu bringen, über das Alltägliche hinaus zu fragen und zu hoffen und leidenschaftlich Gott zu suchen.

Gefragt sind Menschen, die nach der Seele des Menschen fragen. Die Welt braucht im wahrsten Sinn des Wortes „Seelsorger“, Menschen, die darauf achten, dass die Seelen nicht verdursten, Menschen, die mithelfen, dass wir im Gewühl des Alltags die Seelen nicht verlieren.

Wir brauchen die „Geistlichen“, wie wir die Priester auch nennen, Menschen, die in unserer so rational und funktional eingestellten Zeit den Sinn für das Unsagbare, das Mysterium, für das Nicht-Machbare und Unfassbare wach und offen halten.

 

Wir brauchen Menschen, die lebendige Hinweise sind für die Transzendenz, die Ewigkeit, für Gott, der allein, die unauslotba­ren Tiefen des Menschseins auszufüllen vermag.

 

Wir brauchen Menschen, die vom letztlich Beglückenden künden, von der menschgewordenen Liebe Gottes in Jesus Christus, von der Erlösung durch ihn, der von sich selber sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.

 

Gefragt sind „Menschen, die aus den Bächen der Ewigkeit Schalen des Lichtes und des Lebens tragen“ (Carl Sonnenschein).

 

Gefragt sind Hirten, Beseeler, Gefährten des Leides und der Hoff­nung, nicht zum Schweigen zu bringende Zeugen der Gotteserfahrung, Menschen, die erfüllt sind von einem Ruf, von einem Auftrag, glühende Menschen, erfüllt von einer letzten radikalen Leidenschaft für Gott.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit unserem Dank an Gott für die Berufung von P. Gebhard, seine Treue, den Eifer, die Hingabe in 5 Jahrzehnten priesterlichen Wirkens verbinden wir die Bitte an Gott um viele und gute Priester- und Ordensberufe auch in unserer Zeit.

 

Unserem Jubilar aber wünschen wir, dass er noch viele Jahre in Gesundheit und mit Freude Bote der Liebe, Werkzeug des Friedens, Spender der Gnaden und  ein guter Hirte für viele Menschen sein kann.

 

Amen.