Exerzitien mit P. Pius

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Prophet im Auftrag Gottes

(15. Sonntag - Lesejahr B; Amos 7, 12 - 15)

 

ERSTE LESUNG                                                                                                   

Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!

 

Lesung aus dem Buch Amos

In jenen Tagen

12sagte Amazja, der Priester von Bet-El, zu Amos: Geh, Seher, flüchte ins Land Juda! Iss dort dein Brot, und tritt dort als Prophet auf!

13In Bet-El darfst du nicht mehr als Prophet reden; denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel.

14Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter, und ich ziehe Maulbeerfeigen.

15Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!

 

 

Ein Bauer aus dem Breisgau fährt Sonntag für Sonntag nach Freiburg, stellt sich dort vor das Münster, und wenn die Gottesdienstbesucher in die Kirche strömen, fängt er an, Reden zu halten. Er schimpft über die Landesregierung in Stuttgart, lässt kein gutes Haar an den Politikern in Berlin und Brüssel. Auch „die da oben“ in der Kirche bekommen ihr Fett ab. – Dann beklagt er, dass alle nur noch hinter dem Geld her sind, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer, und dass niemand mehr wirklich auf den Herrgott hört.

Schließlich droht er, dass es nicht mehr lange so weitergeht. Er prophezeit Unheil und Unglück. Und sieht den Untergang des sogenannten christlichen Abendlandes kommen. Wenn man sich nicht besinnt und umkehrt, werde alles ein schlimmes Ende nehmen. – Das geht so eine Zeit lang, bis an einem Sonntag der Münsterpfarrer vor die Kirche kommt und den Störenfried konfrontiert. Was ihm einfällt und wie er überhaupt dazu komme vor dem Münster Reden zu halten, herum zu stänkern, alles und jeden zu kritisieren. Er solle gefälligst verschwinden, dahin gehen, wo er hergekommen sei und seine Landwirtschaft betreiben. Predigen brauche hier niemand. Das könnten die Bischöfe und Domkapitulare im Münster selbst ganz gut.

 

Frei erfunden ist diese Geschichte. Ein wenig verrückt, zugeben. Und doch nicht ganz unmöglich. Denn so etwas Ähnliches hat sich ca. 750 vor Christus an einem Heiligtum in Israel tatsächlich ereignet.

 

Das Heilige Land war damals in ein Südreich Juda und in ein Nordreich Israel geteilt.

Amos, ein Viehzüchter und Landwirt aus dem Südreich trat in Bet-El, dem Heiligtum des Nordreiches, auf. Und er nahm kein Blatt vor den Mund. Er redete Klartext. Er legte die Finger auf die Wunden, im Gegensatz zu den bezahlten Propheten.

 

Damals gab es nämlich an jedem Heiligtum Berufspropheten, Angestellte des Königs, die auch den göttlichen Willen verkünden sollten. Aber wie es so ist, wenn jemand berufsmäßig angestellt und vom „Chef“ abhängig ist, schwammen diese Hoftheologen gern mit dem Strom, passten sich dem Zeitgeist an und sagten, was den Ohren schmeichelte. Ihre Prophetensprüche lagen auf der Linie des Königs und des Tempelklerus.

 

Anders Amos. Er redete niemand nach dem Mund, weder den weltlichen noch den kirchlichen Autoritäten, und den – auf Kosten der Armen – Reichen und Wohlhabenden schon gar nicht.

Er nannte die Missstände beim Namen: Korruption, Ausbeutung, Unterdrückung, Willkür in der Rechtsprechung usw.

 

Zwei Zitate als Kostproben:

Erstens Gesellschaftskritik: „Hört dies Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt. Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen. Wir wollen mit Geld den Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld.“ (Am 8, 4 - 6)

 

Zweites Beispiel: Der Prophet als Sprachrohr Gottes übt Kritik am Tempelkult, am Gottesdienst:

„Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie. Eure Feiern kann ich nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, habe ich kein Gefallen an euren Gaben. Und eure fetten Opfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören. Vielmehr ströme das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie verströmender Bach.“ (Am 5, 21 - 24)

 

Amos, dieser Hobbyprophet und Quereinsteiger – wie man ihn nennen könnte – war natürlich alles andere als gern gesehen am Heiligtum von Bet-El. Mit seinem – in den Augen der anderen – übertrieben Gerechtigkeitssinn machte er sich keine Freunde.

Er war unbequem, er eckte an und störte. Ja, man fand ihn schlichtweg untragbar.

Dazu kommt, dass Amos mit Unglück und Untergang drohte und das baldige göttliche Strafgericht ansagte. „Jerobeam (der König) stirbt durch das Schwert und Israel muss sein Land verlassen und in die Verbannung ziehen.“ (Amos 7, 11)

 

Übrigens, die Drohungen des Amos erfüllten sich furchtbar.

Nur wenige Jahrzehnte nach seinem Auftreten überfielen die Assyrer Israel, verschleppten die wohlhabende Oberschicht, zerstörten die Städte und auch das Reichsheiligtum Bet-El.

 

Die erste Lesung des heutigen Sonntags berichtet nun von der Begegnung des Amos mit Amazja, dem Oberpriester des Reichsheiligtums Bet-El, eingesetzt vom König.

 

Klar, dass dieser alles andere als erfreut war über Amos.

Er sah in ihm einen Störenfried, einen Unruhestifter, einen Kritikaster, vielleicht auch einen Rivalen, einen Konkurrenten.

 

Amazja verdächtigte Amos des Aufruhrs und zeigte ihn bei Jerobeam II., dem König von Israel, an. (vgl. Am 7, 10 - 11)

Schließlich verweist er Amos des Landes: Verschwinde! Rede woanders! Geh hin, wo du hergekommen bist! Iss dort dein Brot! Tritt dort als Prophet auf! Lass uns hier in Ruhe.

 

Amos protestiert. Er sagt: Ich bin keiner jener selbsternannten Propheten. Ich habe einen normalen, anständigen Beruf. Gott, der Herr, war es, der mich von meiner Herde weggeholt hat. Er hat mich berufen. Er hat mich ausgesandt. In seinem Auftrag rede ich. Ich lasse mich nicht mundtot machen.

 

Die Szene erinnert an die Art wie Martin Luther der Überlieferung nach 1521 vor dem Reichstag zu Worms aufgetreten ist und gesagt haben soll: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir!“

 

Was treibt Amos, seine Landwirtschaft allein zu lassen, um an einem Heiligtum Missstände anzuprangern und Drohbotschaften von sich zu geben? Dabei hat er ja gar nichts von seiner Entrüstung. Er erntet nur Ärger und Spott.

Ein Zwang scheint auf ihm zu liegen. Er fühlt sich in Pflicht genommen. Gott hat ihn ergriffen. Und er kann und will sich seiner göttlichen Berufung nicht entziehen. Er muss ihr folgen, auch wenn es ihn in Gefahr für Leib und Leben bringt. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

 

Die echten Propheten haben an ihrer Berufung gelitten. Und es waren oft auch Märtyrer von Jeremia über Johannes der Täufer bis hin zu Alfred Delp und Oskar Romero.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Propheten brauchen wir auch heute, auch wenn sie manchmal unangenehm sind, Störenfriede, Sand im Getriebe.

Menschen, die den Finger auf Wunden legen, die sagen, was Sache ist, die ihr Fähnchen nicht in den Wind hängen und niemandem nach dem Mund reden. Menschen, die auf die vielen Verletzungen der Menschenwürde hinweisen, auf Völkermord, auf die wegen ihres Glaubens oder ihrer Überzeugung wegen Verfolgten, Gefolterten und Getöteten. Menschen, die auf die Zerstörung und Plünderung von Naturressourcen durch skrupellose Politiker und Konzerne hinweisen und sich in ganz konkreten Aktionen für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen oder für die Abschaffung der Todesstrafe.

Man muss sie nicht mögen diese „Propheten“ heute.

Papst Franziskus ist in meinen Augen auch so ein Prophet.

Ich denke, es gehören auch Institutionen dazu wie z.B. Amnesty International, Green Peace, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt und andere.

Aber beachten sollten wir sie doch und ihnen Gehör schenken.

Ob Gott heute nicht auch durch sie spricht und durch sie handelt?

 

Was würde Amos uns heute sagen, mir und Ihnen?

Vielleicht: Seid nicht selbstgerecht! Übt Solidarität, wo Menschen schwach und unterdrückt sind! Habt ein Herz für die Armen! Giert nicht, geizt nicht! Lebt nicht auf Kosten anderer! Seid bereit, zu teilen! „Sucht das Gute, nicht das Böse; dann werdet ihr leben.“ (Am 5, 14)

 

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