geistliche Impulse

www.pius-kirchgessner.de

Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Gericht und Güte Gottes

(3. Sonntag - Lesejahr B; Jona 3, 1 - 5.10)

 

Das Buch Jona gehört zu meinen Lieblingsbüchern in der Bibel. Es ist eine Erzählung, die mich immer wieder beeindruckt.

Ich finde sie einfach schön, voll Anmut und heiterem Zauber.

 

Was für eine Überschrift könnte man dieser Erzählung geben?

Ich würde sagen: „Gott ist groß im Verzeihen!“

 

Thema des Jonabüchleins ist nämlich die Großmut Gottes.

Gottes Großmut gegenüber den Menschen von Ninive, aber auch gegenüber Jona, dem engstirnigen und widerspenstigen Propheten, der genauso wie die Leute von Ninive der Umkehr bedarf und auf das Erbarmen Gottes angewiesen ist.

 

So gesehen hat die kleine Jonaerzählung ganz viel mit der Verkündigung Jesu gemeinsam. Besonders nah steht sie dem Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn bzw. vom barmherzigen Vater, das auch Evangelium im Evangelium genannt wird und in dem Jesus aufzeigt wie Gott ist: barmherzig und gnädig, voll Langmut und reich an Güte. Froheste aller Frohbotschaften!

 

Ich finde es schade, dass nur an diesem Sonntag und da auch nur ein paar Zeilen aus dem Jonabüchlein als Lesung zu Gehör kommen, ganze sechs Verse aus dem dritten Kapitel.

Da ist vorher schon einiges passiert und nachher ist die Geschichte auch noch spannend und lehrreich.

 

Der Ausgangspunkt ist: Gott missfällt das Verhalten der Bewohner von Ninive. Ihre Schlechtigkeit stinkt zum Himmel. Sie hören nicht auf Gott. Sie handeln nicht nach seinem Willen. Sie gehen eigene Wege. Sie huldigen dem Ego. Habsucht, Unzucht, Gier beherrschen die Menschen.

Dass das nicht gut geht, dass da das Gemeinwohl Schaden nimmt, das sehen und erfahren wir auch heute. Die Ungerechtigkeit feiert dann Triumphe und die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.

 

Gott beschloss also ein Strafgericht abzuhalten. Es sollte jedoch nicht plötzlich und unerwartet über die sündhafte Stadt hereinbrechen. Die Bewohner sollten gewarnt werden. Vielleicht kommen sie zur Einsicht. Vielleicht kehren sie um. Vielleicht ändern sie ihr Leben. – Wie gern wäre Gott bereit zu Verzeihen. Er will nicht Untergang und Verderben, sondern Frieden, Rettung, Heil.

 

Aber wer rüttelt die Stadt wach?

Gott macht Jona zu seinem Boten.

 

Sie wissen, liebe Schwestern und Brüder, Jona ging nicht nach Ninive. Er hatte keine Lust. Gottes Auftrag war ihm zuwider.

Jona war fest davon überzeugt: Ninive verdiene gar keine Rettung. Soll doch Gott dreinschlagen. Sollen sie doch zugrunde gehen. Dann hätten sie endlich die Quittung für ihr lasterhaftes, liederliches und gottloses Leben.

 

Und was macht Jona? Er geht auf ein Schiff. Nichts wie weg.

Jona flieht vor seinem Auftrag. Er fährt in die entgegengesetzte Richtung von Ninive, nach Tarschisch, sozusagen ans Ende der Welt, weit weg. Weit weg auch von Gott, meint er jedenfalls.

 

Nicht wahr, liebe Schwestern und Brüder, das kennen wir auch: Keine Lust. Es stinkt einem alles. Man hat die Schnauze voll. Man möchte alles hinschmeißen. Es ist zum Davonlaufen.

Enttäuschung, Resignation. Vielleicht auch das Gefühl der Überforderung. Oder Angst vor der Verantwortung.

Es gibt auch die Flucht in die Arbeit, in die Unterhaltung, in den Zeitvertreib, in den Lärm. Oder die Flucht in Krankheiten.

Es gibt viele Vermeidungsstrategien, Ausweichtaktiken.

Und auch Gott kann einem gestohlen bleiben.

 

Am Ende seiner langen Reise erfährt Jona, dass man Gott nicht davonlaufen kann, auch wenn es einem manchmal zum Davonlaufen ist.

Sie geraten in Seenot. Jona wird als der Schuldige über Bord geworfen. Nach drei Tagen und drei Nächten im Bauch eines Walfisches wird er ans Land gespuckt.

Und er erfährt erneut Auftrag und Sendung. „Mach dich auf den Weg! Geh nach Ninive!“

 

Diesmal folgt Jona, allerdings nur halbherzig, mehr schlecht als recht. Dienst nach Vorschrift. Es will immer noch nicht in seinen Kopf, dass Gott dieser über alle Maßen lasterhaften und gottlosen Stadt noch eine Chance geben will, einer Stadt, die auf der Negativskala des Jona gleich hinter Sodom und Gomorra rangiert.

 

Jona geht nur ein Drittel in die Stadt hinein, einen Tag. Und er ruft nur einen Satz: „Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört.“

Aber dieser Satz hat eine gewaltige Wirkung. Die Botschaft verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die Bewohner von Ninive wachen auf.

Keine Schönfärberei, kein Reden um den heißen Brei. Knallhart:

„Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört!“

 

Die Niniviten erkennen ihre Lage. Sie sehen wie es bei ihnen aussieht und wie es zugeht. Schlimme Zustände sind das, ganz schlimm. So vieles, das im Argen liegt.

Und sie merken: so kann es nicht weitergehen, sonst ruinieren wir uns sich selbst. Nicht Gott richtet zugrunde. Man macht sich selbst kaputt. Die Frevel rächen sich an einem selbst. Die Untaten fallen wie ein Bumerang auf das eigene Haupt zurück.

 

Liebe Mitchristen!

Jeder von uns weiß wohl selbst am besten, was seine größten Gefährdungen sind, die es zu überwinden gilt, damit sie einen selbst nicht ruinieren. Und welches die ärgsten Übel sind, Süchte, falsche Abhängigkeiten, verkehrte Leidenschaften, gegen die es anzugehen gilt, die es zu besiegen gilt, damit sie uns nicht zerstören.

 

Und dann, liebe Schwestern und Brüder, geschieht in Ninive genau das, was Jona befürchtet hat, was aber Gott sich in seiner Liebe erhofft hat: Groß und klein, König und Knecht, Mensch und Tier, sozusagen Mann und Maus tun Buße. Selbst die Hardliner und Selbstgerechten klopfen an ihre Brust.

Die Bußfertigkeit ist echt und der Wille zum Guten auch.

 

Und Gott hat Erbarmen. Kein Strafgericht, sondern Vergebung der Sünden, Nachlass der Schuld. Und gleichzeitig: Chance zu einem neuen Anfang.

Gott ist groß im Verzeihen! Gottes Liebe ist größer als alle Schuld.

 

Und wie ging es weiter mit Jona?

Ich lade sie ein, daheim einmal diese biblische Kurzgeschichte zu lesen. Es lohnt sich. Sie ist spannend. Und schmunzeln ist auch erlaubt.

 

Am Ende, so viel kann ich Ihnen sagen, ist auch Jona heilfroh, nicht Bote eines Gottes zu sein, der grollt und donnert, der straft und dreinschlägt, sondern im Dienst eines Gottes zu stehen, dessen Wesen Liebe ist, eines Gottes voll Langmut, reich an Güte und Erbarmen. Gott ist groß im Verzeihen!

Jona erfährt die Großmut Gottes am eigenen Leib. Wie sollte er da nicht selbst großmütig sein? Gottes Liebe ruft unsere Liebe!

 

Über der Jonaerzählung liegt ein Lächeln Gottes.

Das macht sie mir so kostbar.