geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Der Herr kommt! - Seid Wachsam!

(1. Adventssonntag - Lesejahr A)

 

EVANGELIUM                                                Mt 24, 37-44

Seid wachsam, und haltet euch bereit!

 

37Wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein.

38Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging,

39und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.

40Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen.

41Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.

42Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.

43Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.

44Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

 

 

Erster Advent, liebe Schwestern und Brüder!

Und dann dieses Evangelium! Was für ein Kontrast!

 

Kein Marktplatz mehr ohne Weihnachtsbaum. Kein Schaufenster ohne Sterne, Kerzen, Engel oder Weihnachtsmänner.

Kein Kaufhaus ohne stimmungsmachende Weihnachtslieder.

Keine größere Stadt ohne Weihnachtsmarkt.

Keine Firma und kein Betrieb ohne Weihnachtsfeier.

 

Und dann ist ja da auch noch – allem äußeren Glanz zum Trotz und aller Musikbeschallung zum Trotz – , da ist ja auch noch – im Zugehen auf Weihnachten – das Bedürfnis nach Stille, nach Rückzug, nach Kerzenschein, da ist ja in uns – allem Weihnachtsrummel zum Trotz – auch noch die Sehnsucht nach Ruhe und Besinnlichkeit.

 

Doch von all dem finden wir im Evangelium vom 1. Adventsonntag nichts.

Im Gegenteil: Das neue Kirchenjahr knüpft dort an, wo das alte aufgehört hat. Da ist vom Ende die Rede, von großer Not und Drangsalen, drastische Bilder von Untergang und Vernichtung.

Die Ankunft des Menschensohnes steht bevor.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Advent, das sind keineswegs nur die 4 Wochen vor Weihnachten.

Advent ist nicht nur das stimmungsvolle Warten auf das Christkind, das Kommen Jesu in Bethlehem.

Advent ist auch das Warten auf das Kommen des Herrn am Ende der Zeit. Die Zeit der Kirche ist Adventszeit.

 

Der Menschensohn, der gekommen ist und mitten unter den Menschen gelebt hat, er wird wiederkommen mit Macht und Herrlichkeit. Und er wird vollenden, was mit ihm und in ihm begonnen hat: seine Herrschaft und das Reich Gottes.

 

Im jedem Credo, das wir sprechen, liebe Mitchristen, bekennen wir unseren Glauben an das Kommen Christi, an seine Wiederkunft.

Und der Priester betet in der hl. Messe nach dem Vaterunser: „Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten!“

„Voll Zuversicht“, nicht mit Angst und Schrecken!

„Voll Zuversicht“, weil der, der kommen wird, zu richten die Lebenden und Toten, ein gnädiger und barmherziger Richter sein wird, unser Heiland und Erlöser.

 

„Maranatha – Komm, Herr Jesus!“ – Diese letzten Worte der heiligen Schrift sind Adventsrufe der Kirche bis heute.

 

Allerdings, unser Advent, so wie wir ihn volkstümlich praktizieren und begehen, kennt meist nur die Ausrichtung auf Weihnachten.

Die Adventsliturgie der Kirche aber kennt auch – und besonders am Beginn der Adventszeit – das Warten und Ausschauhalten auf Christus am Ende der Zeit. Wann das sein wird, weiß niemand.

 

Aber das Evangelium mahnt zur Wachsamkeit.

Und die drastischen apokalyptischen Bilder wollen nicht erschrecken und Angst machen, sondern eigentlich aufrütteln, aufwecken aus dem Schlaf der Sicherheit, herausrufen aus Routine und Trott, aufwecken aus Lethargie und Gleichgültigkeit.

Denn es erwartet uns kein Ende mit Schrecken und schon gar nicht ein Schrecken ohne Ende, sondern Vollendung in Gott, Gemeinschaft mit Gott. „Wenn all das geschieht, erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe!“

 

Advent, liebe Mitchristen, hat noch eine Dimension, die wir oft vergessen.

Advent ist nämlich auch das Warten auf das Kommen Jesu am Ende unseres Lebens.

Nicht nur die Zeit der Kirche, auch unser Leben ist Adventszeit.

Wann das sein wird, wann unsere letzte Stunde schlagen wird, weiß wiederum niemand.

 

Aber eines ist klar: Wir sind nur Gast auf Erden. Unsere Zeit ist befristet. Jeder Tag kann der letzte sein.

Unerbittlich ticken die Uhren, die unsere Zeit Stunde um Stunde kürzen.

 

Auf einer Spruchkarte habe ich einmal gelesen:

„Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.“

Wie wahr! Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens!

Deshalb gilt es auch diesbezüglich wachsam zu sein, allzeit bereit zu sein und die Gegenwart bewusst und verantwortlich zu gestalten.

 

Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre:

Was wäre dann wichtig? Wie würde ich diesen Tag gestalten?

 

Sehen Sie, liebe Mitchristen, um diese Wachsamkeit für das Hier und jetzt, um diese liebende Aufmerksamkeit in unserem Alltag, darum geht es im Advent.

Ein bewusster Christ, ist ein adventlicher Mensch.

Er lebt nicht gleichgültig in den Tag hinein.

Er lebt auch nicht so als ob es Gott nicht gäbe.

Er rechnet mit Gott.

 

Am Comer See träumte eine Villa einsam vor sich hin.

Nur der Gärtner lebte da und führte auch die Besucher.

„Wie lange sind Sie schon da?“ – „24 Jahre.“

„Und wie oft kam die Herrschaft in dieser Zeit?“ – „Viermal.“

„Wann war das letzte Mal?“ – „Vor vier Jahren“ sagte der Gärtner.

„Ich bin fast immer allein. Sehr selten, dass ein Besuch kommt.“

„Aber Sie haben den Garten so gut in Schuss, so herrlich gepflegt, dass Ihre Herrschaft morgen kommen könnte.“

Der Gärtner lächelte: „Heute, mein Herr, heute!“

 

Noch ein letztes, liebe Schwestern und Brüder!

Adventus domini – Ankunft des Herrn! Begegnung mit dem Herrn:

Nicht nur an Weihnachten, nicht nur am Ende von Welt und Zeit, auch nicht nur am Ende unseres Lebens.

 

Ankunft des Herrn geschieht immer wieder neu.

Täglich können wir dem Herrn begegnen:

In seinem Wort, das er zu uns spricht, im Brot, das er für uns bricht, in den Sakramenten, die wir empfangen, in jeder liebenden Begegnung mit unserem Nächsten. Christus im Bruder, in der Schwester, besonders im Hilfsbedürftigen und Notleidenden.

Christus aber auch in jedem von uns. Christus in den leisen Impulsen des Herzens. Christus mir näher als ich mir selbst.

 

Es stimmt, was Angelus Silesius einmal so ins Wort gebracht hat:

„Wär Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir, du wärst doch ewiglich verloren.“

 

Und darum singen wir in diesen Wochen und an Weihnachten:

„Treuer Immanuel, werd auch in mir nun geboren. Komm doch, mein Heiland, denn ohne dich bin ich verloren. Wohne in mir, mache mich eins nun mit dir, der mich zum Leben erkoren!“